Kirsten Fehrs: "Wir brauchen einen Kulturwandel"

Kirsten Fehrs: "Wir brauchen einen Kulturwandel"

Kirsten Fehrs: "Wir brauchen einen Kulturwandel"

# Neuigkeiten

Kirsten Fehrs: "Wir brauchen einen Kulturwandel"

Büsum - Die Synode des Kirchenkreises hat sich auf ihrer Tagung am Sonnabend (16. November 2024) intensiv mit dem Schwerpunktthema „10 Jahre Prävention im Kirchenkreis“ auseinandergesetzt. Dazu war auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, wenige Tage zuvor erst zur Ratsvorsitzenden der EKD (Evangelische Kirche Deutschland) gewählt, nach Büsum gekommen. 

Zuvor hatte Kreispräsidentin Ute Borwieck-Dethlefs in ihrem Grußwort die Herausforderungen der Gegenwart benannt: Kriege, Rezession, Trump, Ampel-Aus und „rechtspopulistische Seelenfänger, die unsere Demokratie gefährden“ – „wir alle, auch die Kirche, stehen damit vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen“. Kirche sei dabei ein „sicherer Hafen für die Menschen, Sie leben Zusammenhalt!“ Die Menschen bräuchten Vertrauenspersonen, die sie vor Ort ansprechen könnten, vor allem in einem ländlichen Raum wie in Dithmarschen sei Kirche ein geschützter Ort. Borwieck-Dethlefs: „Wir als Kreis erleben Kirche als verlässlichen Partner, denn wir als Kreis können nicht alles leisten.“ Büsums stellvertretende Bürgervorsteherin Heike Dorn betonte hinsichtlich des Schwerpunktthemas: „Wir alle wissen, dass Betroffene überall sein können – auch da, wo wir es nicht erwarten. Es hat einen Grund, warum wir daran arbeiten.“ Ziel aller Anstrengungen müsse es sein, möglichst viel Leid zu nehmen, und Politik, Gesellschaft und Kirche müssten Seite an Seite genau hinschauen. 

Propst Dr. Andreas Crystall gratulierte Kirsten Fehrs, geboren in Wesselburen und Abiturientin in Büsum, ebenso wie zuvor das Synodenpräsidium, zur Wahl als EKD-Ratsvorsitzende: „Ein wenig stolz sind wir schon, dass nun eine Dithmarscherin an der Spitze der 18,6 Millionen evangelischen Christen in Deutschland steht, die ihre kirchliche Sozialisation in unseren Gemeinden erlebt hat. Deinem klaren Leitungsstil, Deiner Bodenständigkeit und Deinem weiten theologischen Denken spüren wir wohltuend die Westküstenprägung ab. Du kannst jederzeit, wenn dich die EKD oder Dein Sprengel oder die Nordkirche oder sonstwas anstrengt und nervt, zu uns kommen, Dich hier erholen, Westküstenwind und Dithmarscher Lebensart tanken, Wind und Weite erleben und Dich gemeinsam mit uns stärken lassen. Liebe Kirsten, größte Hochachtung von uns für Deinen neuen Nebenjob, ganz viel Segen dafür.“ 

Kirsten Fehrs selbst wusste den Empfang zu schätzen und sagte mit einem Schmunzeln: „Einmal Dithmarscherin, immer Dithmarscherin. Hierher zu kommen, ist wie Nachhausekommen.“ Dann widmete sie sich in ihrem Vortrag ihrem Schwerpunktthema, das sie nicht nur seit Jahren begleitet, sondern welches sie immer wieder vorantreibt – Prävention vor sexualisierter Gewalt und Missbrauch. Sie lobte den Kirchenkreis, der sich schon so lange und gut und intensiv damit auseinandersetze – „dabei ist dieses Thema nicht ohne Bedrückung und es berührt emotional“. Die Vorstellung der Forum-Studie Anfang dieses Jahres habe zu einem Ruck geführt, der durch die evangelische Kirche gegangen sei. „Wir haben viel Kritik gehört und manches noch nicht geschafft, aber viele in unserer Kirche wollen, dass es besser wird!“ Sexualisierte Gewalt und Missbrauch sei ein Thema, „das uns immer wieder an die Nieren geht, das auch Abwehrreflexe auslöst“. Tabuisierung sei noch relativ wirksam, dabei „müssen wir uns dem Versagen und der tiefen Schuld, die unsere Kirche auf sich geladen hat, stellen“. 

Der Kirchenkreis Dithmarschen habe sich als einer der ersten mit dem Thema auseinandergesetzt, einen Verhaltenskodex verabschiedet, Leitfäden entwickelt, an Schutzkonzepten gearbeitet, Haupt- und Ehrenamtliche geschult, ein e-learning-Modul entwickelt, die Stelle einer Präventionsbeauftragten auf Kirchenkreis-Ebene geschaffen sowie Präventionsbeauftragte in den sechs Kirchspielen installiert. Bei solchen Wegen gehe es oft auch zunächst um Grundsätzliches: Was sei sexualisierte Gewalt, was sei eine Grenzverletzung, „wann hört eine tröstliche Umarmung eines Kindes auf, tröstlich zu sein?“ Alle Mitarbeitende zu sensibilisieren, sei ein großes Thema, „und Schutzkonzepte müssen in Herz und Handlung ankommen und dürfen nicht in Schubladen verschwinden.“ Dass fast alle Kirchengemeinden in Dithmarschen ein solches Schutzkonzept bereits entwickelt haben oder kurz vor Fertigstellung stünden, sei „so wichtig“. 

Grundsätzlich müsse die Kirche dieses Thema auf die Agenda setzen und benennen, wo Unrecht geschehen ist – nicht die Betroffenen. „Das ist unsere Aufgabe!“ Die evangelische Kirche habe die Forum-Studie gewollt und sie in Auftrag gegeben, „denn wir wollen besser werden im Schutz vor Gewalt und wir wollen den ungeschönten Blick auf die Realitäten“. Dazu gehöre auch, „endlich mit den Betroffenen zu reden, statt über sie hinweg“. Das führe zu Veränderungen, sagte Kirsten Fehrs, die mit rund 200 betroffenen Menschen nach wie vor in Kontakt stehe: „Meine Haltung, meine Sprache, meine Theologie, mein Leben hat sich dadurch verändert. Wir müssen erkennen: Es geht hier um zerbrochenes Leben.“  

Gerade Kirche müsse sich damit auseinandersetzen, welche systemischen Faktoren Gewalt ermöglichen beziehungsweise verhindern könnten. Es verbiete sich, von Einzelfällen zu sprechen, denn „es hat eine systemische Konnotation“. Nur ein Problem, das man als solches erkenne, könne auch bearbeitet werden“. Kirche benötige als Standard „geordnete Verfahren der Prävention, wir brauchen Schutzkonzepte, Interventionspläne und vieles mehr“. Und in Richtung der betroffenen Menschen, die oft „schwerverwundet mit zum Tel lebenslangen Folgen“ seien, sagte sie: „Wir wollen mit Anstand versuchen, ihnen gerecht zu werden.“ 

Durch die Kirche sei spätestens mit der Vorstellung der Forum-Studie ein Riss gegangen, und einzelne Maßnahmen seien als Folge nicht zielführend – „wir brauchen nicht weniger als einen Transformationsprozess, wir brauchen einen Kulturwandel in unserer Kirche, damit unsere Kirche ein Vertrauensraum sein kann.“

Foto: Bischöfin Kirsten Fehrs zwischen Synodenpräses Sonja Keck (links) und Dithmarschens Kreispräsidentin Ute Borwieck-Dethlefs.

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed
  Kirchenkreis Dithmarschen
  ·   Nordermarkt 8, 25704 Meldorf
      04832/972-200
      oeffentlichkeit@kirche-dithmarschen.de