Historischer Lernort Neulandhalle

Seit Mai 2019 informiert im Dieksanderkoog (Kreis Dithmarschen) eine dauerhafte und selbsterklärende Außenausstellung über die fatale Propaganda und Volksgemeinschafts-Ideologie der Nationalsozialisten. Der Historische Lernort Neulandhalle rund um eine ehemalige Versammlungs- und NS-Schulungsstätte im einstigen „Adolf-Hitler-Koog“ dokumentiert den Zusammenhang von vermeintlich unpolitischen Maßnahmen wie der Landgewinnung mit dem völkisch-rassistischen Gedankengut der Nazis. Träger ist der Kirchenkreis Dithmarschen.

Die Neulandhalle ist im Jahr 1935 gebaut worden – als zentraler Versammlungsort im gerade eingedeichten Dieksanderkoog (damals „Adolf-Hitler-Koog“). Mit viel Propaganda feierten sich hier Nationalsozialisten für eine „friedliche Erweiterung deutschen Lebensraums“ und die Errichtung einer „Volksgemeinschaft im Kleinen“. In dem Musterkoog erhielten 92, von den Nationalsozialisten handverlesene Siedler Hofstellen. Das zentrale Gebäude, die als „Anti-Kirche“ konzipierte Neulandhalle, wurde für ideologische Schulungen der Bauern genutzt. Nach 1945 wurde sie als Gaststätte betrieben und 1971 von der evangelischen Kirche als Stätte für ihre Jugendarbeit erworben. 2011 hat der Kirchenkreis Dithmarschen den Betrieb der Jugendfreizeitstätte eingestellt. Professor Dr. Uwe Danker von der Europa-Universität Flensburg entwickelte seinerzeit die Idee eines Historischen Lernortes. 2017 haben die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), der Kirchenkreis Dithmarschen und das Land Schleswig-Holstein die Umsetzung der Konzeption vereinbart.

Die historische Ausstellung wurde entwickelt und umgesetzt von einer Projektgruppe der Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History der Europa-Universität Flensburg und steht vollständig im Freien. Mannshohe Buchstaben der Worte „Volksgemeinschaft“ und „Lebensraum“ dienen als Ausstellungsflächen und beleuchten verschiedene Aspekte der Neulandhalle und ihrer Geschichte im historischen Kontext. Vorder- und Rückseiten bilden einzelne Kapitel. Federführend war Prof. Danker: „Die Neulandhalle bildet einen authentischen Ort der Manifestation der NS-Volksgemeinschaft und des NS-Lebensraumkonzeptes. Es ist kein weiterer Ort bekannt, der beide ideologischen Kernkonzepte des Nationalsozialismus so nachvollziehbar in einer baulichen Hinterlassenschaft und der sozialen Einbettung im Koog verkörpert. Hier können Fragen nach der gesellschaftlichen Verankerung der ‚NS-Zustimmungsdiktatur‘ exemplarisch bearbeitet werden.“ Leitgedanke sei die Janusköpfigkeit der Konzepte: Die als traditionsverbunden vermarktete Landgewinnung fand ihre Fortsetzung als Lebensraumkrieg, und das harmonische Inklusionsversprechen der NS-Volksgemeinschaft basierte auf vielfältiger, steter und gewaltsamer Exklusion. Die Außenausstellung konfrontiert die Besucherinnen und Besucher am Ende mit zwei Fragen: „Was hat das mit mir zu tun?“ und „Wer sind heute die Anderen?“

Das Gebäude selbst wurde in den ursprünglichen Zustand zurückgebaut und kann nach Anmeldung besichtigt werden.

 

Infos und Buchungen: https://lernort-neulandhalle.de/

 

Evaluation zum Historischen Lernort

Der Historische Lernort Neulandhalle im Dieksanderkoog (Kreis Dithmarschen) geht in die nächste Projektphase: Bildungsministerin Karin Prien hat heute (21. Oktober) im Anschluss an eine Führung durch die Außenausstellung und durch die Neulandhalle selbst vor Ort den Evaluationsbericht (2017 – 2022) des Historikers Prof. Dr. Detlef Garbe entgegengenommen. 

Bildungs- und Kulturministerin Karin Prien: „Der Bericht ist mehr als eine Evaluation. Er ist eine Würdigung der Arbeit all jener, die diesen Lernort gestaltet haben und gestalten und pflegen. Ohne diesen Einsatz wäre der Historische Lernort Neulandhalle nicht dieses Zeugnis eines Kapitels der Geschichte Schleswig-Holsteins und der mahnenden Erinnerung an die NS-Zeit.“ Sie dankte der Nordkirche und der vhs Dithmarschen für die „anspruchsvolle Bildungsarbeit in den vergangenen Jahren“. 

Bischöfin Nora Steen (Sprengel Schleswig und Holstein): „Ich finde es beeindruckend, wie am Historischen Lernort Neulandhalle die belastende Geschichte dieses Ortes und unseres Landes gezeigt und aufgearbeitet wird. Schülerinnen und Schüler bekommen hier wichtige Anstöße, sich mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auseinanderzusetzen und zu verstehen, wie eine Gesellschaft für solche Ideologien anfällig werden konnte. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gerade heute solche Lernorte brauchen, um das Bewusstsein für Demokratie, besonders bei jungen Menschen, zu stärken.“

Die Neulandhalle war 1935/36 erbaut worden und als Versammlungs- und Schulungsort fester Bestandteil nationalsozialistischer Propaganda. 2017 wurde hier der Historische Lernort Neulandhalle errichtet, im Außengelände ist eine Dauerausstellung zum Thema NS-Propaganda und Volksgemeinschaftsideologie erlebbar. Grundlage war eine Vereinbarung der evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland, des Kirchenkreises Dithmarschen (Träger) und des Landes Schleswig-Holstein über die Errichtung des Lernorts und der damit verbundenen politisch-historischen Bildungsarbeit über den Nationalsozialismus. Entwickelt und umgesetzt wurde der Lernort von einer Projektgruppe der Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History der Europa-Universität Flensburg unter der Leitung von Prof. Dr. Uwe Danker.

Die pädagogische Arbeit vor Ort und eine große Zahl von Vorträgen und Veranstaltungen bietet der Verein „Volkshochschulen in Dithmarschen“ an. Allein im vergangenen Jahr haben rund 1100 Personen an Führungen durch die Ausstellung teilgenommen. Den größten Anteil (44 Prozent) daran hatten Schulen, mit denen die Volkshochschule teilweise Lernort-Kooperationen betreibt. Hinzu kommen 1300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Einzelveranstaltungen wie Vorträgen und Erzählcafés. Die Gesamtzahl der Besucherinnen und Besucher kann nicht beziffert werden, da die Ausstellung öffentlich und ohne Anmeldung zugänglich ist.

„Bei dem Historischen Lernort Neulandhalle handelt es sich mithin um eine erinnerungskulturelle und bildungspolitische Innovation, die trotz der abgelegenen Lage auf ganz Schleswig-Holstein und darüber hinaus ausstrahlen kann“, heißt es in der Evaluation des Historikers Prof. Dr. Detlef Garbe. „Die Ergebnisse und Erkenntnisse bestätigen die Tragfähigkeit und den Erfolg des für den Lernort entwickelten didaktischen Konzepts.“ Die Evaluation zeige, „welche enormen Potentiale das Konzept des Historischen Lernorts Neulandhalle mit seiner Fokussierung auf die Janusköpfigkeit der Volksgemeinschaftsideologie für das historische Lernen in sich trägt“.

Träger des Lernortes ist der Kirchenkreis Dithmarschen, dessen Propst Dr. Andreas Crystall von der Resonanz der ersten Jahre begeistert ist. „Der große Zuspruch bei Schulen aus dem ganzen Land zeigt, dass das Konzept insbesondere durch die starke regionale An- und Einbindung funktioniert. Die Volkshochschule Dithmarschen und ihre Histo-Guides leisten hier hervorragende Bildungsarbeit, die heute notwendiger denn je ist.“ Das habe das Wahlverhalten insbesondere von Erstwählern bei den jüngsten Wahlen gezeigt. „Das Engagement von Land und Kirchenkreis ist Ausdruck der gemeinsamen gesellschaftlich-historischen Verantwortung“, so Crystall.

Prof. Dr. Garbe empfiehlt „Intensivierung und Ausbau der Bildungsarbeit. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es zunächst und vordringlich der Gewährleistung einer entsprechenden Anschlussfinanzierung und einer Aufstockung der Mittel.“ Im Landeshaushalt sind für das laufende Jahr 45.000 Euro für die Bildungsarbeit am Historischen Lernort Neulandhalle eingestellt. Bis zum Ende der zweiten Projektphase (2027) wurden entsprechende Verpflichtungserklärungen in derselben Höhe abgegeben. Gespräche über die Weiterentwicklung des Lernorts sind geplant.

 

Hier finden Sie die Evaluation als pdf-Download