Von Gott ins Meer getupft

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Von Gott ins Meer getupft

Helgoland – Helgoland zu umrunden dauert zu Fuß nur eine gute Stunde. Ein gepflegter Rundweg führt den interessierten Besucher am Rand des Eilandes entlang, steil fällt der rote Felsen ins Meer hinab. Die Häuser dicht gedrängt, auf den Wiesen ein paar Schafe und an den Klippen unzählige Vögel – sonst ist da nichts, was einem Menschen Heimat geben könnte. Aber genau das ist die Insel: Sie ist viel mehr als ein touristischer Anziehungspunkt, sie ist Menschen Heimat, geliebtes und beizeiten schmerzlich vermisstes Zuhause. Mehr als 100 Helgoländer machten sich darum in der Nacht zum 1. März auf den Weg in ihre St.-Nicolai-Kirche, um mit einem Ökumenischen Gottesdienst für dieses kleine Stück Heimat zu danken.

Das Datum wählten Pastorin Pamela Hansen und Pater Meinhard Watermeyer nicht zufällig. An diesem Tag durften die Helgoländer 1952 sieben Jahre nach ihrer Evakuierung nach Hause zurückkehren. Ende April 1945 hatten die Engländer die Insel mit 1000 Flugzeugen angegriffen und unbewohnbar gemacht. Zwei Jahre später zündeten sie 4000 Torpedoköpfe, 9000 Wasserbomben und 91000 Granaten gleichzeitig. Es war der Big-Bang, die größte nichtnukleare Sprengung der Geschichte. Die endgültige Zerstörung Helgolands nahmen sie dabei billigend in Kauf. In einer Nacht- und Nebelaktion besetzten die Studenten Georg von Hatzfeld und René Leudesdorff Weihnachten 1950 die Insel und lenkten damit den Blick der Welt auf das Schicksal des roten Felsens.

An all dieses erinnerte Pamela Hansen in ihrer Predigt. Sie sprach von Heimat und davon, wie gut es ist, „dort zu blühen, wo man gepflanzt wurde“. Aber sie relativierte auch die Sehnsucht. „Was uns Halt gibt, ist nicht nur Heimat“, sagte sie. „Einen festen Halt gibt der Glaube, und wenn er auch nur groß wie ein Senfkorn wäre.“ Die Sängerinnen und Sänger der Chorgemeinschaft Halunner Songers & der St. Nicolai-Chor waren teilweise in Tracht erschienen und schenkten dem Gottesdienst unter Leitung von Kevin Kilian feierlichen Glanz. Das Duo Nocticula (Carsten Graetsch und Sonja Mangelsdorf) rührte die Herzen: Helgoland sei von Gott ins Meer getupft, sangen sie. Und das Gesangbuchlied von Shalom ben Chorin über den Mandelzweig klang in dieser Nacht ganz anders: „Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht, doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.“
In einer langen Reihe zogen die Besucher am Helgoländer Gebeinbuch vorbei: Hier sind die Namen der Toten eingetragen, deren Gräber durch die Bombardierung zerstört wurden. Um Mitternacht erklang die Helgoland und läutete wie jedes Jahr den 1. März ein, der auf Helgoland ein Feiertag und ein Tag des Gedenkens an eine fast verlorengegangene Heimat ist.

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